Sirenengeheul am bundesweiten Warntag

ereignismanufaktur

2/1/2023
Wenn am 08. Dezember, dem bundesweiten Warntag, um 11:00 Uhr die Sirenen heulen, werden sich etliche unserer älteren Mitmenschen an lange zurückliegende Luftalarme erinnern. Heute nur ein Test, damals bitterer Ernst.

Sirenengeheul damals und heute

Wenn am 08. Dezember um 11:00 Uhr die Sirenen heulen, werden sich etliche unserer älteren Mitmenschen an lange zurückliegende Luftalarme erinnern. Heute nur ein Test, um am bundesweiten Warntag auf den Bevölkerungsschutz insgesamt aufmerksam zu machen und Kreisen, Städten und Gemeinden die Gelegenheit zu geben, in einer Übung ihre Warnmittel erproben. Vor achtzig Jahren hingegen bitterer Ernst. Beim ersten Ton rannten die Menschen in Schutzräume und Bunker. Sie rannten um ihr Leben.

Probealarm in meiner Kindheit

Ich erinnere mich an Probealarme in den siebziger Jahren. Wenn damals die Sirenen ertönten, eilte ein alter Mann aus unserem Haus, noch in Hausschuhen, aber mit einer Tasche bepackt, zum nur wenige Straßen entfernt liegenden alten Bunker. Wir Kinder lachten ihn deswegen aus. Niemand machte sich Gedanken darüber, was dieses Geräusch wohl bei ihm auslöste.

Heute stimmt es mich traurig, wenn ich daran denke. Wie unbedacht und grausam wir doch waren. Was wohl in dem alten Herrn Getto aus Ludwigshafen vorgegangen ist, wenn er dann vor dem verschlossenen Bunker stand? Ich mag es mir gar nicht ausmalen.

Probealarm während des Schreibens

Die Erinnerung an den alten Herrn Getto erwachte, als ich gerade an meinem Buch Sei tapfer im Leben. Die Spuren der Kriegskinder schrieb. Denn ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als ich mich mit den Luftangriffen auf Ludwigshafen und dem Bau der verschiedenen Luftschutzbunker beschäftigte, fand der letzte Warntag statt. Das Datum werde ich so schnell nicht vergessen, es war der 10. September 2020.

Beim Geräusch der Sirenen kamen mir die Tränen. Ich musste an Ilse, Hedwig, Wilhelm und all die anderen Menschen aus meinem Buch denken. Und an Herrn Getto, wie er in Hausschuhen zum Bunker lief. Panisch und nicht realisierend, dass der Krieg lange vorbei war. Der Schrecken, dem die Generation der Kriegskinder damals ausgesetzt war, begleitete sie ihr ganzes Leben, auch wenn viele von ihnen die Erinnerung daran verdrängten.

Luftschutzmäßiges Verhalten im Jahr 1940

Auszug aus der Polizeilichen Anordnung über luftschutzmäßiges Verhalten, veröffentlicht im ›General-Anzeiger‹ Ludwigshafen a. Rh. vom 01. April 1940:

Aufgrund der §§ 2 und 12 des Luftschutzgesetzes vom 26.6.1935 und § 7 der ersten Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz vom 4.5.1937 sowie § 2 der Zehnten Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz vom 1.9.1939 ordne ich für das Stadtgebiet Ludwigshafen a. Rh. folgendes an:
§ 1

Bei Beschießung feindlicher Flugzeuge, auch wenn kein Fliegeralarm gegeben wird, ist folgendes zu beachten:

  1. Wer sich auf Straßen, Plätzen usw. befindet, hat den nächsten öffentlichen Luftschutzraum oder andere Deckungsmöglichkeiten in Gebäuden aufzusuchen.
  2. In unbebautem Gelände ist jede mögliche Deckung (Gräben, Höhlen, Bäume usw.) auszunutzen.
  3. Auf Märkten sind Bedarfsgegenstände, Lebens- und Futtermittel durch Abdecken gegen Einwirkungen flüssiger Kampfstoffe zu schützen. Lebende Tiere sind durch Anbinden oder in sonstiger Weise an der Fortbewegung zu hindern und nach Möglichkeit einzudecken.
§ 2

Die Verdunkelung ist nach den Vorschriften der Achten Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz vom 23.5.1939 durchzuführen. Hierbei ist strengstens darauf zu achten, daß nicht durch verbotswidriges Oeffnen der Fenster oder sonstiger Lichtaustrittsöffnungen Licht nach außen dringt.

Liebe Eltern

Liebe Eltern, wenn Ihr beobachtet, dass alte Menschen an Warntagen in Hausschuhen Richtung Bunker laufen und Eure Kinder darüber lachen, so wie wir damals, sagt ihnen doch bitte, dass es Gründe für ein solch merkwürdiges Verhalten gibt. Und dass man manchmal auch in Hausschuhen auf die Straße gehen muss.

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